Dieser Moment.
Sonntag 26.6.2022 Wien Schweizergarten 10.00
Der Himmel ist blau und fast wolkenlos, nur ein kleines Wölkchen sehe ich vor mir. Rund um den Ententeich geht ein asphaltierter Weg. Viele hohe Bäume spenden Schatten und stehen auch entlang der Wege, wo es immer wieder Parkbänke gibt. Der Autolärm ist sehr beständig, aber weit weg. Vögel zwitschern, Krähen krächzen. Läufer und Spaziergeher kommen vorbei.
Der Teich gleicht mehr einer riesengroßen Lacke. Blätter schwimmen auf dem dunklen schmutzigen Wasser in dem sich die Bäume spiegeln. Birken. Nun sehe ich auch eine Ente und einen Wasserreiher.
Wenn ich mich etwas nach links umschaue, sehe ich parkende Autobusse, den D-Wagen und ein paar Gebäude, aber mein Blick schweift doch lieber zur Skulptur aus Eisen (später werde ich lesen: La note bleue Fréderic Chopin) gleich hinter dem Teich.
Ich sitze auf einer schattigen Bank, die ich ganz für mich alleine habe. Rechts ist mein Jausensackerl, links mein Rucksack mit Federpenal und zwei Heften zum Aussuchen. Gestern wusste ich ja noch nicht,
welches Papier mir heute zum Schreiben gefallen würde.
Ich habe gleich meine weiße Bluse mit dem Schreib-T-Shirt getauscht. „Meine Geschichten schreibt das Leben“. Für den heutigen Tag habe ich mir eine helle, blau-weiß gestreifte Sommerhose ausgesucht, aber doch geschlossene Schuhe und Socken. Auf dem Kopf hab ich meinen schönen blau-beige gestreiften Sonnenhut, den ich in Padova für die Israelreise gekauft habe.
Gerade habe ich mich etwas zurechtgesetzt. Ich fühle mich gut ausgeschlafen und bin neugierig auf das, was da kommt. Ich fühle mich willkommen und gut aufgehoben. Ich bin entspannt und ruhig.
Nun schweifen meine Gedanken ab zu meinen Kindern, die hier in der Nähe wohnen und ich frage mich, was sie tun. Wie werden sie den Sonntag verbringen? Werde ich sie heute noch sehen oder erst morgen?
Heute Früh war in der Zeitung ein Bild vom ehemaligen Braunkohlenrevier in der Weststeiermark. Nach der Schließung gibt es noch Kohlenhäufen, Gräben, Wunden in der Landschaft. Vor sich hin rostende Grubenhunte. Vom Kommentar des Journalisten blieben mir die Sätze hängen: „..beißender schwefeliger Kohlengeruch überall…weißer rußbedeckter Schnee…“ In der Gaskrise wollen einige Länder wieder auf Kohle setzen. Erinnert sich niemand mehr an die Schattenseiten des „braunen Goldes“? Ich bin in der Stadt in einem netten Reihenhaus aufgewachsen, aber gleich am hinteren Garten war der Kohlenlagerplatz mit riesigen Kohlehäufen für das 30 Jahre nach der Siedlung gebaute Fernheizkraftwerk. Die schwarzen Rußschlieren am schönen, weißen Schnee, werde ich nie vergessen.
Hier ist es friedlich. Hier sehe ich ein paar liebe Schreibmenschen und ich freue mich sie kennen zu lernen. Noch ist jeder mit seiner Schreibaufgabe beschäftigt. Hier kann ich gut atmen. Ich habe ein paar Blumen wahrgenommen, auch vom Regen etwas mitgenommene rosa Röschen. Ein leichter Wind bewegt die Blätter der Birken, ein kleiner Kohlweißling fliegt vorbei und Hunde an der Leine spazieren mit ihren Besitzern vorbei.
Was ich mitgebracht habe? Es ist das Gefühl sich allein auf eine Reise gemacht zu haben. Eine Reise zu einem bestimmten Zweck: etwas zu erfahren, etwas Neues zu erleben, sich sozusagen aus der Komfortzone zu bewegen und sich auf Unbekanntes einzulassen…..und das allein. Ganz nur für mich.
In diesem Moment ist es schön, noch den ganzen Tag vor mir zu haben. Ich weiß noch nicht, was alles passieren wird, was mich wirklich erwartet.
In diesem Moment geht es mir gut und ich wundere mich, wie leicht es zu organisieren war, dass ich nun hier sitze und mich des Lebens freue. Ja ich freu mich einfach und bin froh.
Zum Abschluss dieses Momentes habe ich mich auf der Bank umgedreht, auf die Lehne der Bank das Klemmbrett gelegt und darauf jetzt mein Heft. So kann ich aufrecht und gerade sitzen – fühle mich größer, freier um das Herz und um den Bauch. Auch für mein Knie, welches mich seit ein paar Wochen plagt, ist diese Haltung besser.
Ich sehe eine grüne schattige Wiese mit kleineren Bäumen und denke, dass auch dieser Ausblick schön ist. Nach dem Rundumblick weiß ich wo ich bin, ich kann mich orientieren, ich bin angekommen.
Herrlich. Ich fühle mich einfach total entspannt und nahezu schwerelos….da ist dieses herrliche Gefühl der leichten Schultern, ganz ohne Last.